Am 19. Juli ist #PalaceDay – der jährliche Aktionstag des Netzwerks Europäischer Königsschlösser, dem auch die SPSG angehört. Der #PalaceDay widmet sich jedes Jahr einem bestimmten Thema. In diesem Jahr ist das Motto: "Horsing around European Courts" (sinngemäß: Alles rund um die Pferdezucht an europäischen Höfen). Entwickelt wurde es anlässlich der Reitwettbewerbe der diesjährigen Olympischen Spiele in Paris.
Es ist eine gute Gelegenheit, die Geschichte der königlichen Residenzen aus einem originellen Blickwinkel zu erzählen, denn Pferde sind ein fester Bestandteil der Kultur und der Gesellschaft der königlichen Residenzen. Sie sind als beliebte Motive in Gemälden, Skulpturen und Dekorationen zu finden. Auch an den preußischen Höfen haben Pferde eine wichtige Rolle gespielt. Vor allem ein bestimmtes Pferd aus Sanssouci hat es in die Geschichtsbücher geschafft, doch dazu gleich mehr.
Das Pferd, eine kulturelle Ikone
Pferde trugen zur Manifestation der Macht eines Monarchen bei und waren ein wesentlicher Bestandteil im royalen Alltag, nahmen an königlichen Festen, Jagden und Kriegen teil und waren wichtiges Transportmittel. Die Reitkunst ist in Europa und darüber hinaus ein wesentlicher Bestandteil des materiellen und immateriellen Kulturerbes. Ställe waren oft Zentren der Exzellenz, sowohl was die Auswahl der Pferde und die Entwicklung der Reitkunst betrifft als auch als Ort der Weitergabe von Wissen über Pferde und Pferdezucht. Sie sind zudem Teil unseres architektonischen Erbes und oft materielle Erweiterungen der Macht eines Monarchen. Heute werden die Ställe an europäischen Höfen zwar hier und da noch für Pferde genutzt, meist aber übernehmen sie inzwischen andere Funktionen, wie die Unterbringung von (Kunst-) Sammlungen oder Gastronomie. Auch Kutschen, die die Mitglieder des Hofes von A nach B transportierten, können heute noch bewundert werden, zum Beispiel in der Remise in Schloss Paretz. Ebenso sind Reitkleidung und musikalische Kompositionen bis heute erhalten.
Friedrich II. und die Pferde
Als Friedrich II. (1712-1786) 1740 die Regentschaft antrat, standen in seinen Marställen über 4.000 Pferde, die nun alle einen Namen bekamen. Wurden die Pferde zunächst nach äußeren Merkmalen benannt, so trugen sie später mitunter die Namen bedeutender Staatsmänner oder Generäle, auch wenn diese fremden oder gar feindlichen Höfen angehörten, wie Brühl oder Kaunitz. Dennoch soll der Umgang des Königs mit all diesen Tieren immer pfleglich und schonend gewesen sein. Peitsche und Sporen waren tabu. Es gibt sogar einen Beleg, der eine gewisse Diskrepanz zwischen Friedrichs Einstellung zu Pferden und den ihm nahestehenden Menschen vermuten lässt. In einem Schreiben Friedrichs an seinen engsten Vertrauten und Geheimkämmerer Fredersdorf vom 2. Oktober 1745 teilt er zuerst den Verlust der Pferde Annemarie und Champion mit, bevor er auf den Tod seiner Offiziere Wedell, Blankenburg, Bredow oder Prinz Albert von Braunschweig eingeht. Letzterer war immerhin sein Schwager, also der Bruder seiner Gemahlin.
Condé – Das letzte und berühmteste Leibreitpferd Friedrichs II.
Der Fliegenschimmel-Wallach wurde 1766 geboren und 1777 im Alter von elf Jahren in England für Friedrichs Marstall erworben und erst ab dann von Stallmeister Wetge zugeritten. Nachdem Friedrich II. das erste Mal auf seinem neuen Pferd ausgeritten war, gab er ihm den Namen Condé – nach Louis II. de Bourbon-Condé, wenngleich dieser bereits 90 Jahre tot war. Condé wurde schnell zum Lieblingspferd des Königs.
Zu seinen Hauptaufgaben gehörten regelmäßige Ausritte sowie die Teilnahme an den Potsdamer Frühjahrs- und Herbstparaden. In den Parkanlagen und sogar im Schloss durfte sich Condé frei bewegen. Hier wurde es vom Oberstallmeister Graf von Schwerin betreut. Der Marchese Lucchesini, letzter Vorleser Friedrichs II., berichtet nach eigener Beobachtung: „Während des Gespräches trabt der Condé immer hinter dem König her und beschnuppert seine Rocktaschen, aus denen sich das Pferd Melonenschnitten und Feigen hervorzieht.“
Und aus anderer Quelle wissen wir über diesen Vierbeiner: „Er wurde nur durch gelegentliche Spazierritte und während der alljährlichen Potsdamer Herbstparade von den Freuden des Parks von Sanssouci abgehalten, wo er mit einem silberbestickten blausamtenem Reiterzeug ausgeputzt war. Der große Preußenkönig konnte sich bereits damals den Luxus einer innigen Tierliebe zu seinem Leibreitpferd Condé leisten. Die Privilegien gegenüber seinen Artgenossen waren einzigartig, denn diese wurden damals zur harten Arbeit in der Landwirtschaft und beim Militär herangezogen. Condé durfte im Schloßpark frei herumlaufen, ohne daß ihm dabei Grenzen gesetzt wurden, selbst vor dem Runden Salon machte er nicht halt. Dabei können dann auch schon mal einige Fliesen zerbrechen, die für solch einen gewichtigen Besucher nun mal nicht gedacht sind. Innige Tierliebe – sofern auf Gegenseitigkeit beruhend – ist oft die einzige wahre Liebe im Leben. Sie zeigt sich dann, wenn selbst nach einem solchen Malheur harte Konsequenzen seitens der staatstragenden Obrigkeit ausbleiben.“ (Aus „Einmal quer durch den runden Salon von Sanssouci“ von Budras/Berg (1998), siehe Literatur unten)
Auf dem Rücken von Condé machte der Alte Fritz am 4. Juli 1786 auch seinen letzten Ausritt. Nach seinem Tode am 17. August befolgte man dessen testamentarische Order, Condé auf königlichen Weiden einen schönen "Lebensabend", das "Gnadenbrot", zu gewähren. Der inzwischen 20-jährige Schimmel kam dann zum Gestüt Neustadt an der Dosse und 1790 zur neu gegründeten Königlichen Tierarzneischule nach Berlin, wo er am 18. April 1804 im Alter von 38 Jahren starb. Er hat seinen prominenten Besitzer also um 18 Jahre überlebt. Der beneidenswerte Gesundheitszustand von Condé war unter anderem das Resultat guter Ernährung. Auch in seinen letzten Jahren konnte er ausgewählte weiche Gräser genießen, die ihm auf großen gepflegten und üppigen Koppeln zur Verfügung standen.
Ein Pferdeskelett und seine Geschichte
Das Skelett von Condé ist erhalten geblieben und gehört heute zu den Sammlungsbeständen der Freien Universität Berlin. Es befindet sich im Anatomischen Museum des Institutes für Veterinär-Anatomie. Doch auf welchem Wege gelangte es dorthin? Zunächst waren die fleischlichen Überreste ehrenvoll in Sanssouci neben Friedrichs Windhunden begraben worden, bevor sie später ins Hohenzollern-Museum im Schloss Monbijou kamen (bis 1895). Das Skelett wurde bis 1969 im Zootomischen Museum der Tierarzneischule an der Charité ausgestellt, und befindet sich seit 1995 im besagten Anatomischen Museum, wo es für Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen und die breite Öffentlichkeit zugänglich ist.
Dank einer Leihgabe durch das Institut für Veterinär-Anatomie konnte die SPSG das Skelett im Rahmen der großen Jubiläumsausstellung „Friederisiko. Friedrich der Große“ anlässlich des 300. Geburtstags von Friedrich II. zeigen. Sie fand vom 28. April bis 28. Oktober 2012 im Neuen Palais in Sanssouci statt.
Friedrich lag das Schicksal von Tieren am Herzen, die fürstliche Jagd empfand er als grausam – und das in einer Zeit, als man Tiere vor allem als nützliche, aber empfindungslose Kreaturen ansah. Er setzte sich stark für Tiergesundheit ein. Dass das Skelett seines Pferdes Condé auch nach über 200 Jahren noch existieren und wissenschaftlichen Erkenntnissen dienen würde, damit hätte er sicher nicht gerechnet.
Zum Netzwerk Europäischer Königsschlösser (ARRE):
2001 haben sich die Trägerinstitutionen der bedeutendsten Schlossmuseen Europas zum Netzwerk Europäischer Königsschlösser ARRE (franz.: Association des Résidences Royales Européennes) zusammengeschlossen. Dies ermöglicht ihnen die Zusammenarbeit und den Wissens- und Erfahrungsaustausch über die Erhaltung und Bekanntmachung des ihnen anvertrauten reichen Kulturerbes im Interesse ihrer Millionen Besucherinnen und Besucher, die sie jedes Jahr willkommen heißen. ARRE hat die Aufgabe, das Netzwerk der Europäischen Kaiser- und Königsschlösser zu entwickeln und zu verwalten, indem es insbesondere Veranstaltungen zum Zweck des Erfahrungsaustausches und Schulungen organisiert sowie Partnerprojekte, gemeinsame Werbung, Koproduktionen und gemeinsame Publikationen durchführt. Das Netzwerk hat heute mehr als 100 Mitglieder aus 15 Ländern. Am 19. Juli 2024 findet die neunte Ausgabe des #PalaceDay statt.
Literatur
Wolfgang Grittner: Auszug aus einem Beitrag für das Deutsche Tierärzteblatt (3/2013), anlässlich des 300. Geburtstages von Friedrich dem Großen und der Friederisiko-Ausstellung der SPSG im Jahr 2012 im Neuen Palais in Potsdam.
Klaus-Dieter Budras, Rolf Berg (Institut für Veterinär-Anatomie der Freien Universität Berlin): Einmal quer durch den runden Salon von Sanssouci. „Condé“ – das letzte Leibreitpferd Friedrich II von Preußen als Zeitzeuge der Geschichte Preußens und der Veterinärmedizin in Berlin, in: Reiten und Zucht in Berlin und Brandenburg-Anhalt, 1 (1998), S. 20-22.
Veranstaltungen der SPSG zum ARRE-Themenjahr „Horsing around European Courts“
Goldene Wagen und stolze Pferde
Eine Veranstaltung zum ARRE-Themenjahr 2024: „Horsing around European Courts“
Samstag, 20.07.2024, 15 Uhr & Samstag, 05.10.2024, 15 Uhr
Schlossremise Paretz, Parkring 1, 14669 Paretz / Ketzin
Treffpunkt: Schlosskasse
10 €, ermäßigt 8 €
Anmeldung ab 4 Wochen vor dem Termin: 033233.7 36-11 oder schloss-paretz(at)spsg.de
barrierefrei
Pferd und Jagd in Glienicke
Gartenführung mit Schlossleiterin Anke Berkhoff, SPSG, zum ARRE-Themenjahr 2024: „Horsing around European Courts“
Sonntag, 20.10.2024, 14 Uhr
Schlossgarten Glienicke, Königstraße 36, 14109 Berlin
Treffpunkt: Schlosskasse
10 €, ermäßigt 8 €
Anmeldung ab 4 Wochen vor dem Termin: 0331.96 94-200
nicht barrierefrei
Weiterführende Links
https://twitter.com/Palace_Day
https://www.instagram.com/palaceday
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